Dienstleister wie die Reiwag finden trotz hoher Arbeitslosigkeit kaum Mitarbeiter. Die Corona-Impfung wird für viele Jobs zur Bedingung. Ein Einblick in Bewerbungsgespräche.
Wien – Sie sind nicht geimpft? Aber Sie wissen, dass unsere Kunden in Krankenhäusern und Pflegeheimen darauf bestehen? Sie können nicht vor neun Uhr arbeiten? Abends und an den Wochenenden geht auch nicht?" Seher Müldür seufzt. Im Fünf-Minuten-Takt bewerben sich bei ihr Frauen um eine Stelle als Reinigungskraft. Doch von 50 Leuten, die sich bei ihr für die Jobs bewerben, wollen nur fünf bis sechs wirklich arbeiten, sagt sie resigniert und streicht mit ihren Händen einen Stapel an Lebensläufen glatt.
Müldür arbeitet seit 20 Jahren im Facility-Geschäft, erst im Kaffeeservice, dann als Objektleiterin und Division-Managerin der Reiwag Österreich. An diesem Vormittag im Oktober sucht sie für den Dienstleister Mitarbeiter. Über eine Jobbörse holte sich der Konzern AMS-Berater ins eigene Haus in der Wiener Burggasse. Weit mehr als hundert arbeitslose Menschen folgten der Aufforderung, sich für 33 offene Stellen zu melden….
Noch nie sei es so schwierig gewesen, offene Stellen zu besetzen, wie seit der Corona-Krise mit all ihren Nachwehen, klagt Viktor Wagner. Der Reiwag-Chef macht von seinem Büro aus immer wieder einen Abstecher zu den Bewerbungsgesprächen. Viele Arbeitslose holten sich nur ihren Stempel fürs AMS, hinterließen falsche Telefonnummern oder erschienen zu vereinbarten Terminen nicht, erzählt er. Um gegen diese Missstände vorzugehen, habe er das AMS diesmal an Ort und Stelle gebeten.
Dass der Lohn des Putzens niedrig ist – der Kollektivvertrag sieht in Österreich 9,38 bis 11,43 Euro brutto die Stunde vor –, stellt Wagner nicht in Abrede. "Ich würde ja gerne mehr bezahlen. Aber der harte Wettbewerb auf dem Markt erlaubt uns keine höheren Gehälter."
Der Kunde lasse nicht nur keinerlei finanziellen Spielraum, sondern gebe auch die Drei-Stunden-Dienste außerhalb der Bürozeiten vor. Betriebe davon zu überzeugen, tagsüber reinigen zu lassen, sei eine Sisyphusarbeit. Auf Basis einer Arbeitnehmerschutzverpflichtung besteht Wagner zudem auf einer Impfung künftiger Mitarbeiter. "Wir sind verpflichtet, Unbill und Unheil von unserem Personal fernzuhalten." Seine Leute arbeiteten in sensiblen Bereichen, die Gefahr, Viren zu verbreiten, sei zu groß….